In der Musik macht eine andere Note den Dur- zum moll-Akkord. Ein Frost im Frühjahr, und das junge Grün welkt. Ein Verlust, eine Enttäuschung, ein Bruch – und eine innere Sonnenfinsternis breitet sich aus. Wo Menschen dann die Worte fehlen, füllen Symbole die Stille. Und so nehmen wir bei „Aesthetics“ diese Gedanken und Symbole heute auf und bleiben am Karfreitag ganz im Klang dieses Themas.  

Die Sehnsucht nach Orientierung in der Leere, nach Erhabenheit über der geplagten Seele, ruft nach Formen. Und wo Form ist, da ist Platz für Ästhetik. Eine Überlieferung aus dem alten Griechenland erzählt, dass Schwäne – bereits damals Inbegriff der Eleganz und Anmut –  ihren schönsten Gesang erst kurz vor ihrem Tod preisgeben. Der feinste Wohlklang klagt immer schon vom Verlust. Und in den Tränen der Rührung sind die Tränen der Trauer aufgehoben.

Alles fließt 

Doch können auch Tränen, die den Abschied beweinen, Tropfen aus dem Fluss des Lebens sein. „Panta rhei“, das antike Vermächtnis von Heraklit und Platon, integriert kleine und große Brüche in Biografien und Zeitaltern. Alles fließt, alles ist Bewegung. Die Träne kann so zum Symbol der Bewegung, der Veränderung und des Flusses werden. Und der Tod als Übergang, als „Transitus“, der nicht Ende sondern Anfang ist – ein Gedanke, der auch Kultur und Ästhetik nicht nur im christlich geprägten Raum seit Jahrhunderten beeinflusst. Sanfte Hügel-Landschaften finden sich daher häufig auf Sterbebildern oder geschwungene Bach-Läufe. Fliegende Vögel und ziehende Wolken. Auch die weiten, schwingenden Bewegungen der Trauerweide oder der fließende Mantel-Stoff in Darstellungen der Trauer  können Hinweise sein auf die Kraft der Bewegung und auf das Vertrauen in den Beweger sein.

                            

Der jugendlich-frische Thanatos

So wohnt früheren Darstellungen von Verlust, Tod und Trauer – und auch Bildern ihrer kleinen Schwester, der Melancholie – oft eine eigene, berührende Ästhetik inne; teils kombiniert mit Utensilien des damaligen Lebens und Glaubens. Wurde der Tod vor allem seit dem Mittelalter in christlich geprägten Kulturen häufig als gebeugte Gestalt mit den landwirtschaftlichen Utensilien Sense oder Sichel sowie einem Stundenglas dargestellt, bildeten die antiken Griechen den Todbringer Thanatos als frischen, jugendlichen Mann mit Flügeln und  Schwert ab.

Betrachtet man die „Melancholie“-Motive von Edvard Munch aus den 1890er-Jahren, so findet sich in den Kunstwerken nicht nur ein stiller, in sich versunkener, fast apathischer Mann an der Küste, sondern auch erste Hinweise auf wieder aufkommende Bewegung und Veränderung: Hügel, anbrandendes Wasser, ein Boot. Alles fließt.

                            

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