Gepflegt, modern, aber auch ein bisschen langweilig: Wer das Team-Poster der deutschen WM-Kicker vom vergangenen Sommer betrachtet, findet überwiegend eine Art Einheits-Frisur aus „Rundrum kurz, oben länger“ (damit ein wenig Wachs oder Gel darin hält). Da ging es in den 1970ern und -80ern noch deutlich origineller zu. Völler, Netzer, Berti Vogts: Was an „Matte“ da war, durfte wallen – und das „bärige“ Aussehen der Fußball-Helden tat dem Erfolg keinen Abbruch; im Gegenteil. Wenn ein Paul Breitner in den Siebzigern zum wuchtigen Elfer ausholte und das Leder Richtung Tor zimmerte, war nicht nur technisch, sondern auch optisch ordentlich Dampf dahinter. Haarig, bärtig, urig: Die Panini-Alben von damals sind Galerien von Kraft und Urwüchsigkeit. Heute etwas anachronistisch, damals Ästhetik-Gebot der Stunde.

                            

Bei Samson aus dem Alten Testament war das lange Haupthaar nicht nur Symbol sondern Voraussetzung seiner Kraft. Bei den Wikingern gehörten geflochtene Haare und Zöpfe zur üblichen Tracht. Und sogar im militärischen Kontext war es nicht immer so, dass es nur Kurzhaar-Schnitte gab, bei denen kein Haar den Kragen berühren durfte: Unter den europäischen Heeren im 18. und 19. Jahrhundert war der „Soldatenzopf“ durchaus verbreitet. Auf dem gesellschaftlichen Parkett war besonders im Barock in Sachen Haar fast alles erlaubt: Eingedrehte und toupierte Haare, gepuderte, teils gefärbte Haarteile und Perücken, die – zusätzlich noch mit Blumen, Schleifen und Steck-Ornamenten ausgestattet – gut und gerne die Maße des Gesichts nochmals nach oben verlängern konnten. Frauen wie Männer experimentierten in barocker Zeit und im Rokoko munter mit voluminös gestaltetem Kunst-, aber sicher auch Echthaar. Glaubt man nämlich dem skurrilen „Lügenbaron“  von Münchhausen, er habe sich selbst am Zopf aus dem Sumpf gezogen, hat das bestimmt nicht mit einer Perücke funktioniert.

                              

Von Pumuckl bis Kill Bill

Doch nicht nur Frisuren-Formen, auch Haarfarben wurden im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neu interpretiert. Bildete man früher vor allem fabelhafte Sagen- und Meereswesen mit roten Haaren und blasser Haut ab – Botticellis Venus steht für eine fast unwirkliche, entrückte Schönheit –, sind rote Haare heute meist handfester konnotiert. Rothaarige Jungen und Mädchen gelten oft als schlau, fröhlich, etwas schlitzohrig. Und die rothaarigen Kinderbuch-Figuren „Sams“ und „Pumuckl“ erinnern eher an Kindergarten-Rabauken als an die Sirenen des Odysseus.

Zwar sind die sprichwörtliche „sinnliche Brünette“, die „gutgläubige Blondine“ oder die „geheimnisvolle Schwarzhaarige“ nur Klischees. Einem gewissen Zusammenhang zwischen manchen charakterlichen Eigenschaften und dem Farbton der Haare ist die Forschung aber tatsächlich auf der Spur. Denn die Hormone Serotonin oder Adrenalin wirken offenbar nicht nur auf die Laune, sondern auch auf die Pigmentierung.

                            

Dass Selbstverständnis und Lifestyle seit jeher auch über Haartracht und -farbe ausgedrückt werden, ist besonders gut seit dem Siegeszug von Kino, Fernsehen und Co. zu beobachten. Audrey Hepburns „Breakfast at Tiffany’s“-Look wurde in den 1960ern ebenso Kult wie die Jennifer-Grey-Dauerwelle („Dirty Dancing“) in den Achtzigern oder Uma Thurmans cooler, weißblonder „Kill-Bill“-Style gut 15 Jahre später.

Photo credits
erste Reihe links: catwalker / Shutterstock.com; erste Reihe zweites von links: 360b / Shutterstock.com; erste Reihe rechts: Jefferson Bernardes / Shutterstock.com; zweite Reihe zweites von links: AGIF / Shutterstock.com; dritte Reihe zweites von links: katatonia82 / Shutterstock.com; dritte Reihe zweites von rechts: Featureflash / Shutterstock.com

Autor: Korbinian Morhart

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